Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 11.09.2012 zum Aktenzeichen 33 O 353/11 im Rahmen der Widerlegung der Täterschaftsvermutung, dass der Anschlussinhaber nicht für das Verfügbarmachen eines Computerspiels im Rahmen eines Filesharingnetzwerks haftet, wenn außer dem Anschlussinhaber auch ein anderer Haushaltsangehöriger als Täter in Betracht kommt und die Täterschaft des Beklagten nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt worden ist.
Aus den Urteilsgründen:
Eine Täterhaftung des Beklagten hat das Gericht verneint. Die Ansprüche des verletzten Rechteinhabers richten sich nach Auffassung des Gerichts in erster Linie gegen den Verletzer, also denjenigen, der die Rechtsverletzung als Täter – selbst, gemeinsam mit anderen oder mittelbar über unselbständig handelnde Dritte – begeht. Dies sei jedoch im entschiedenen Fall nicht hinreichend von der Klägerseite dargelegt und unter Beweis gestellt worden.
Zwar spreche nach der BGH Rechtsprechung gem. der „Sommer unseres Lebens“ Entscheidung ( BGH Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08) eine tatsächliche Vermutung dafür, dass, wenn ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht wurde, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich sei – Täterschaftsvermutung.
Daraus ergebe sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen. Dies führe aber nicht zu einer Beweislastumkehr oder einer Verpflichtung, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Erst recht obliege dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Der Beweis des ersten Anscheins sei bereits dann erschüttert, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergebe.
Nach Auffassung des Gerichts gäbe es insbesondere keinen Erfahrungssatz dahingehend, „dass der Anschlussinhaber seinen Internetzugang vorwiegend selbst nutzt und kontrolliert, sondern der Standardfall die selbständige Nutzung durch weitere Personen ist. (…)“
Es lag im entschiedenen Fall aber nach Auffassung des Gerichts auch keine Störerhaftung vor. Im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses gäbe es keine vergleichbaren Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen. Im entschiedenen Fall konnte zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Ehefrau für die Urheberrechtsverletzungen verantwortlich ist. Mangels dieser gegenüber bestehenden Prüfpflichten würde der Beklagte hierfür aber nicht haften.
Eine Störerhaftung ergebe sich nach Meinung des Gerichts auch nicht daraus, dass auch die Kinder des Beklagten Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Zwar bestehen hinsichtlich der Nutzung eines vorhandenen Internetanschlusses durch Kinder – jedenfalls, wenn diese noch minderjährig sind – Prüf- und Kontrollpflichten des Anschlussinhabers, deren Verletzung zu einer Haftung als Störer führen könne. Im vorliegenden Fall konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass eine etwaige Verletzung solcher Prüfpflichten gegenüber den Kindern des Beklagten für die Urheberrechtsverletzungen kausal geworden wäre. Nach Auffassung des Gerichts könne selbst bei der Einhaltung der Prüf- und Kontrollpflichten nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Urheberrechtsverletzungen nicht durch die Kinder, sondern durch die Ehefrau des Beklagten – der gegenüber Prüfpflichten aber gar nicht bestanden – begangen worden ist.
Insoweit wäre es aber wieder Sache der darlegungsbelasteten Klägerin, denjenigen Kausalverlauf schlüssig darzulegen und ggf. zu beweisen, der eine Störerhaftung des Beklagten begründen könnte. „Können nämlich schon weitergehende – sekundäre – Darlegungen des Anschlussinhabers als diejenige, dass Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, bei der täterschaftlichen Haftung, bei der zudem eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber streitet, nicht verlangt werden, könne dies erst recht nicht bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme als Störer gefordert werden.“
Die Klägerin könne sich hier zur Erfüllung ihrer Darlegungslast auch nicht mit einem pauschalen Verweis auf die Art des Computerspiels begnügen. Zielgruppe des Computerspiels „Y“ mögen vor allem Jugendliche sein. Dies genüge jedoch nicht, um eine Täterschaft der Kinder des Beklagten zu vermuten. Denn zum einen handelt es sich um individuelle Geschmacksfragen. Zum anderen bleibt denkbar, dass die Ehefrau des Beklagten das Spiel für eines ihrer Kinder heruntergeladen hat. Im Übrigen müsse diese das Spiel aber auch gar nicht heruntergeladen haben. Denn inkriminierte Handlung sei das Bereitstellen des Spiels zum Herunterladen durch andere Filesharingteilnehmer, nicht aber das Herunterladen durch den Nutzer. Möglich sei es daher, dass durch die Ehefrau des Beklagten etwas ganz anderes (z. B. auch ein Musiktitel) heruntergeladen wurde und in dieser Zeit ein anderer Filesharingteilnehmer Zugriff auf das auf dem Computer im Filesharingordner enthaltene Spiel genommen habe.