Laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) scheint laut einer Pressemitteilung (Urt. v. 27.06.2024, Rs. C-284/23 – Haus Jacobus) die Anfechtungsfrist bei Schwangeren gem. § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu kurz zu sein.
Exkurs zum Kündigungsschutz werdender Mütter
§ 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Der Mutterschutz beginnt, sobald der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert ist, und dauert bis vier Monate nach der Geburt. Während dieser Zeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz für die Arbeitnehmerin.
§ 9 MuSchG
Schwangere Arbeitnehmerinnen dürfen nicht zu Nachtarbeit oder Mehrarbeit herangezogen werden. Dies dient dem Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind.
§ 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung. Eine Kündigung bedarf eines triftigen Grundes, der in der Person, im Verhalten oder in dringenden betrieblichen Erfordernissen liegen kann.
§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Eine Kündigung, die gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig.
§ 23 KSchG
Die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
Anfechtungsfrist bei Schwangeren – zum Sachverhalt
Die Angestellte eines Pflegeheims wandte sich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Mainz gegen ihre Kündigung. Sie beruft sich auf das Verbot, einer Schwangeren zu kündigen. Das ArbG ist der Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse. Als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben habe, sei nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist – drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung – bereits verstrichen gewesen. Überdies habe die Arbeitnehmerin es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen. Das Arbeitsgericht fragt sich jedoch, ob die in Rede stehende deutsche Regelung mit der Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist.
Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Eine Frist von zwei Wochen, wie sie im deutschen Arbeitsrecht für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage vorgesehen ist, „scheint zu kurz zu sein“, so das Gericht. Es hat daher den Europäischen Gerichtshof dazu befragt.
EuGH: Deutsche 2-Wochen-Frist eher zu kurz
Nach § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) haben Arbeitnehmer grundsätzlich eine Frist von drei Wochen, um eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Diese Frist gilt auch für schwangere Arbeitnehmerinnen, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft haben. Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nach § 5 KSchG nur über zwei Wochen, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können.
Nach Auffassung des EuGH scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der sog. Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) unvereinbar zu sein. In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, würde diese kurze Frist es der schwangeren Arbeitnehmerin zu sehr erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. Zudem seien Unsicherheiten hinsichtlich des Beginns dieser Zweiwochenfrist nicht auszuschließen.
Es sei jedoch Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob die Bedenken des EuGH tatsächlich auch zutreffen und im konkreten Fall zu Verfahrensnachteilen führen.
Zur Anfechtungsfrist bei Schwangeren – was tun?
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